Für Sie getestet

Südafrika

Die ganze Welt in einem Land

Südafrika scheint schlicht des Deutschen Traumziel zu sein. Alle, denen wir im Vorfeld von der geplanten Reise erzählt hatten, waren entweder schon einmal da oder wollen unbedingt einmal hin.
Was erwartet einen dort? Safaris, "Big Five", Cape Town, Spitzenweine, Slums, Kriminalität, endlose Strände, Rassenkonflikte? Auf jeden Fall kein perfektes Paradies.

Südafrika ist ca. 3,5-mal so gross wie Deutschland. Deshalb unser Plan, zuerst die touristisch gut erschlossene Kap-Region zu bereisen. Flug nach Kapstadt, dann entlang der Langenberge am Rande der Halbwüste Karoo 400 km nach Osten und auf der Gardenroute entlang des indischen Ozeans Richtung Westen zurück nach Kapstadt.

Viele Reiseführer bezeichnen Kapstadt als die schönste Stadt der Welt. Und wirklich liegt die Stadt traumhaft eingebettet zwischen Bergen und Meer. Egal, wo man im Zentrum gerade ist, trennen einen nur wenige Autominuten von einem unverschämt weitläufigen Strand, von fast alpin anmutender Bergwelt oder der vornehmen Ruhe der Winelands in der Umgebung von Stellenbosch. SA liegt auf der Südhalbkugel, die Jahreszeiten sind also genau umgekehrt wie bei uns. Unser Frühjahr ist hier der Herbst. Und so empfing uns auch das Wetter in Kapstadt eher trüb und kühl. Wenn der Himmel wolkenlos ist, wird es sehr schnell richtig warm und Sonnenschutzfaktor 30 ist nicht übertrieben. Aber sobald der Himmel zuzieht oder die Sonne untergeht, sind Jeans und Fleecejacke angebracht.

Kapstadt hat zu Stuttgart keine Zeitverschiebung – ein unbestreitbarer Vorteil für alle, die sich durch einen Jetlag wie nach einer durchzechten Nacht fühlen. Wir kamen früh morgens an und konnten sofort mit der ersten Stadterkundung beginnen. Das europäisierte SA ist ja erst 350 Jahre alt und so sind auch die Städte. Zwischen monumentalen und reich verzierten Kolonialbauten wachsen mehr oder weniger schöne moderne Gebäude in die Höhe.
Ein altes Viertel ist das Bo-Kap, das malaiische Viertel, mit seinen ärmlichen aber dafür knallbunten Häusern. Touristen zieht es in die Long Street, wo es unzählige Restaurants, Bars und Cafés gibt, die jedes für sich phantasievoll gestaltet sind. Und egal, wo man sich gerade aufhält: sobald sich die Wolken lichten, kann man einen der drei markanten Berge, den Signal Hill, den Lions Head oder den Tafelberg zum Greifen nah sehen. Weiter geht der Weg Richtung Wasser zur Victoria & Albert Waterfront. Dieses einst verwahrloste Hafenareal wurde aufwändig restauriert und beherbergt heute Shoppingmalls und Restaurants für jeden Geschmack und ist deshalb ein beliebtes und lohnenswertes Ziel vieler Touristen an dem man sich auch abends sicher aufhalten kann.

“Don’t go out at night”. Diese Warnung hört man aus dem Munde jedes Guesthouse Betreibers. Obwohl wir uns keine Sekunde unsicher fühlten, muss doch etwas dran sein. Denn der Südafrikaner lebt in vielen Städten sozusagen hinter Gittern. Mehrere abschliessbare Tore, Stacheldraht, elektrische Zäune und Sicherheits¬dienste zeigen, dass die Kriminalität deutlich höher liegt als in Europa. Und deshalb auch immer der Rat, nach Einbruch der Dunkelheit nicht zum Hotel zurückzulaufen, sondern eines der günstigen Taxis zu nehmen.

Ein Muss in Kapstadt ist ein Ausflug zum Kap der guten Hoffnung, der Stelle, an der sich der Indische und der Atlantische Ozean treffen. Wir hatten den Ausflug schon von zuhause aus gebucht und wurden früh morgens von Egon, einem gut gelaunten südafrikanischem Pfälzer am Gästehaus abgeholt. Wie über 50.000 Deutsche lebt er seit vielen Jahren am Kap. Vorbei an beeindruckenden Landschaften geht es bis zur Südspitze Afrikas. Dort ist das Wichtigste das Schild, um dessen Foto-Position sich Touristen aus aller Welt streiten. Zurück über die possierliche Pinguin-Kolonie (mehr Touristen als Pinguine, die sich aber interessanterweise nicht stören lassen) und Kirstenbosch, den botanischen Garten, auf den die Kapstätter sehr stolz sind (leider ohne Sonne).

Am dritten Tag erkunden wir Kapstadt mit dem Hop-on/Hop-off-Bus. Für 10 Euro fahren die Doppeldecker¬Busse alle wichtigen Sehenswürdigkeiten in einem Umkreis von 20 km an. Man kann beliebig ein und aussteigen und hat an den Orten so viel Zeit, wie man braucht. Unterwegs erfährt man in Deutsch (oder einer der anderen 14 Sprachen) per Kopfhörer viel Wissenswertes über Stadt und Land; eine sehr lohnenswerte Attraktion. Wir steigen an einem Township aus, einem der Slumviertel der Stadt, und nehmen dort an einer Führung teil.

Südafrika, The Rainbow Nation, ist ein Vielvölkerstaat. Die Ureinwohner, afrikanische Stämme mit jeweils eigner Geschichte, mischen sich mit den Kolonialmächten Holland und England, mit Indern, Malaien, Chinesen und vielen anderen Völkern. Ziel der Apartheit war es, Afrikaner, Europäer, Inder und Mischlinge räumlich streng zu trennen. Ganze Stadtviertel mit ursprünglich gemischter Bevölkerung wurden aufgelöst und die Einwohner umgesiedelt. Die Folgen sieht man heute in jeder grösseren Stadt SA’s. Die besten Viertel werden von Weissen bewohnt, die Slums von Schwarzen, die zusätzlich oft arbeitslos sind. Dort gibt es zwar feste Häuser neben elenden Wellblechhütten. Aber die Menschen leben auf engstem Raum, ohne vernünftige Infrastruktur und organisieren sich auch heute noch vorwiegend selbst. Was bedeutet, dass sie mit dem wenigen was sie haben, versuchen, Schulen, Spielplätze und Begegnungsstätten aufzubauen, ohne vom Staat unterstützt zu werden.

Das Kontrastprogramm dazu war ein Café am Strand von Camps Bay, einem der besten Wohnorte Kapstadts am Fusse des Bergmassivs der Twelve Apostles. Hier werden die höchsten Grundstückspreise bezahlt, man sieht auch schon mal einen Maserati oder Audi R8 parken und die Strände sind neid-erregend weiss. Der ideale Hintergrund für einen Sundowner oder einen leckeren Cappuccino mit Schokokuchen.

„Keine Sorge, nach ein paar Kilometern fährst Du im Linksverkehr so, als hättest Du es nie anders gelernt“, beruhigten mich meine Irland- und Australien-erfahrenen Kollegen. Das mag bei Leuten gelten, deren Führerscheinprüfung erst ein paar Jahre her ist, aber nicht, wenn man 40 Jahre Rechtsverkehr gewohnt ist. Aller Aufmerksamkeit zum Trotz, fährt man immer zu weit links, vor allem beim Abbiegen – sehr zum Nachteil der Felgen. Und wenn man schnell reagieren muss, sucht man vergeblich den Schalthebel rechts und den Blinkerhebel links, auch noch nach 1000 Kilometern. Trotzdem ist SA ein angenehmes Autoland, mit sehr wenig Verkehr ausserhalb der Städte, entspannten Autofahrern und gefühlt nur 5 LKW pro 100 km.

Mit dem Mietwagen verlassen wir Kapstadt und sind in einer knappen Stunde in den Winelands, einer ländlichen Region rund um die Stadt Stellenbosch. Der lebhafte Universitätsort wird geprägt durch über 100 Kapholländische Häuser aus dem 18. und 19. Jh. und die schattenspendenden Eichenalleen, wobei wir so trübes Wetter hatten, dass Schatten nicht so dringend war. SA produziert Weine auf Weltklassenivau und rund um Stellenbosch, Franschhoek und Paarl gibt es unzählige Weingüter, die für ein paar Euro Weinverkostungen anbieten. Allein damit könnte man zwei Wochen zubringen, denn, wenn man diese Qualität aus der Toskana oder Bordeaux trinken will, muss man ein Mehrfaches dafür ausgeben. In Stellenbosch waren wir stilgerecht auf einem Weingut untergebracht, leider ohne eigenes Restaurant, so dass die Flasche Wein zum Abendessen wegen der Heimfahrt leider ausfiel gemäss der Regel „Don’t drink and drive“ (wurde aber anderweitig nachgeholt).

Nach diesem erholsamen Auftakt lag nun eine längere Fahrt vor uns, 450 km nach Nordosten, nach Oudtshoorn in die „Kleine Karoo“, eine Halbwüste. Das Kap gleicht einer riesigen Hochebene, die von Bergketten begrenzt wird. Solange man in Ost-West-Richtung entlang der Gardenroute unterwegs ist, begleitet einen immer eine Bergkette am Horizont. Aber im Gegensatz zu den recht engen Tälern der Alpen sind die Ebenen in SA weit und offen, so dass der Blick immer frei in die sehr abwechslungsreiche Landschaft schweifen kann. Bei der Fahrt nach Norden muss man die Langeberge überschreiten und fährt über Passstrassen durch unberührte, wilde Landschaften.

Oudtshoorn ist das Weltzentrum der Straussenzucht. Im 19. Jahrhundert verdienten die „Straussenbarone“ ein Vermögen, indem sie die wild lebenden Vögel abschossen und die Federn nach Europa exportierten. Dort waren sie für die aufwändigen Hutkreationen und Federboas der feinen Ladies unentbehrlich. Aber bald gab es keine Strausse mehr und die ausladenden Hüte gerieten aus der Mode, weil sie nicht in die neu aufkommenden Automobile passten. Heute werden die beeindruckenden Vögel auf grossen Farmen gezüchtet, die neben Bed & Breakfast auch sehr lehrreiche Führungen und Begegnungen mit den neugierigen Tieren anbieten.

Kann man Afrika bereisen, ohne eine Safari? Zuerst waren wir skeptisch, ob wir das wirklich wollen, aber unsere Agentur bestand darauf. Um die Fahrstrecke nicht allzu lang zu machen hatten wir noch einen Zwischenstopp in Jeffreys Bay, dem Surferparadies, und fuhren dann weiter ins Amakhala Game Reserve. SA hat riesige Naturschutzgebiete, von denen der Krüger Nationalpark sicher der bekannteste ist. Der liegt aber 1800 km weit entfernt bei Johannesburg. Parallel zu den staatlichen Parks gibt es private Reservate, in denen die Tiere auch frei leben, aber nicht jeder Löwe wurde hier auch geboren. Unsere Lodge bestand nur aus 4 Bungalows, also maximal 8 Personen und ein Ranger, die früh morgens oder spät nachmittags nach einem heissen Tee mit dem 4-Wheel-Drive entlang der Wildpfade auf Pirsch gehen. Schon ohne Tiere macht es Spass, sich mit so einem Fahrzeug im abenteuerlichen Gelände zu bewegen, egal wie steil oder unwegig die Pfade sind. Und natürlich kennen und erklären die Ranger alles was da kreucht und fleucht. Jeder SA Besucher will die „Big Five“ sehen, Elefant, Löwe, Büffel, Nashorn und Leopard. Im Amakhala leben diese Tiere und wir hatten Glück, fast alle zu treffen, neben Giraffen, Zebras, Antilopen, Gnus, Schlangen, usw. Ein besonderes Erlebnis waren die Elefanten. Mit welcher Anmut sich diese Schwergewichte in ihrem Revier bewegen, völlig lautlos, das ist schon berührend. Und am Abend beim traditionellen Braai (Grillen - des Südafrikaners liebstes Hobby!) und einem Amarula konnte man sich unter dem unendlichen SA Himmel herrlich mit den Paaren aus England, Schottland und Irland über das Leben als Grosswildjäger oder Tierschützer auslassen.

Jedes Land hat seine eigene Esskultur. Durch seine vielen Nationen wird die Küche SAs von vielen Geschmäckern beeinflusst. Wobei Grossbritannien wohl die grössten Spuren hinterlassen hat. Steak, Hamburger und Fish & Chips (und durch Wasser gezogenes Gemüse) fehlen selten auf den Speisekarten. Und vor allem: die Portionen, egal von was, sind riesig! Ein traditionelles südafrikanisches Gericht ist Bobotjie, ein Hackfleischgericht das malaiisch gewürzt ist, also mit Curry, Knoblauch, Piri Piri und Trockenfrüchten mit einer Art Eier-Schmandguss mit Aprikosenmarmelade oben drauf („lekker“!). Fleischlose Gerichte sucht man auf den meisten Speisekarten vergebens.

Mit dem Amakhala Resort war der östlichste Punkt unserer Reise erreicht und für den Rückweg nach Kapstadt bummelten wir auf der Garden Route an der Pazifikküste entlang. Jeder der Orte hat neben den vielfältigen Ausflügen, die unser Reiseprogramm vorschlug, noch ganz eigene Attraktionen zu bieten, so dass man kaum weiss, was man zuerst unternehmen soll. In der Lily Pond Lodge nahe Plettenberg Bay faszinierte uns zuerst einmal der See, an dem das Haus liegt. Hier kann man einfach sitzen und die Vögel und Insekten beobachten, die sich hier wohl fühlen. Abends wurde vor dem Kaminfeuer ein wunderbares 4-Gänge-Menu serviert und auch die Weinkarte war gut bestückt. Bei dem günstigen Wechselkurs zum Südafrikanischen Rand kostete das komplette Essen unschlagbare 15 Euro pro Person. Tagsüber bietet das Tsitsikamma Naturschutzgebiet Wanderungen mit atemberaubender Kulisse und die höchste Bungee-Jumping Brücke der Welt; unglaublich: die Springer/innen stehen Schlange!

Plettenberg ist ein sehr schicker Ort mit Villen mit Blick aufs Meer, die von der Architektur eine moderner und gewagter als die andere sind.

Wilderness, unsere nächste Station, hat den Strand direkt vor der Türe. Brandung und Sand, soweit das Auge reicht, ein Meer, das sich ständig verändert und ein Himmel mit unendlichen Wolken. Da will man gar keine Ausflüge unternehmen, ausser natürlich zur Knysna-Waterfront (sprich „Neisna“), dem bei den Einheimischen beliebtesten Ferienort. Kleine Jacht gefällig? Die nötige Kleidung, Ausrüstung und Souvenirs gibt es gleich nebenan.

Unser letztes und schönstes Gästehaus stand in Gaansbai/De Kelders. Hier gibt es nicht nur das Meer vor der Veranda, sondern auch noch eine Klippe, die die Wellen bricht. Sonnenuntergänge wie aus dem Prospekt. Wie in allen Gästehäusern ist der Umgang sehr entspannt. Softdrinks, Wein, Alkohol und Chips stehen in der Honesty Bar bereit, man trägt sich in eine Liste ein und bezahlt beim Auschecken. Und ob der Amarula einfach oder doppelt war, egal, Hauptsache man hat Spass. Die Owner wohnen in der Regel nicht im Haus, so dass die Gäste praktisch das Haus für sich haben. Überhaupt war der Standard der Gästehäuser beeindruckend. Jedes Zimmer das wir hatten, hatte seinen eigenen Stil, alles war sehr sauber und es gab nicht ein einziges Mal Probleme.

Die Manager sind, wie quasi alle Südafrikaner, sehr freundlich und hilfsbereit. So bekamen wir z.B. in De Kelders den Tipp ein Weingut zu besuchen, das von einem deutschen Ehepaar (aus Essen!) geleitet wird. Jennifer führte uns auch eine Stunde herum und wir haben uns sehr angeregt unterhalten. Hier gab es dann auch wirklich die lang ersehnte Weinprobe.

Mit unserer Rückkehr nach Kapstadt waren die drei Wochen auch schon fast um. Unseren letzten Nachmittag mit Mietwagen verbrachten wir in „Woodstock“, einem aufstrebenden Viertel für Künstler und Kreative. Zwischen heruntergekommenen Industrie- und Wohnhäusern, verwahrlosten Plätzen und wilder Graffiti eröffnen hier todschicke Designer-Shops und es gehen Typen ein und aus, da fällt dir nichts mehr ein.

Die letzten zwei Tage hatten wir für ein weiteres Highlight der Reise reserviert. Der „Blue Train“ ist ein Luxuszug, der Touristen von Kapstadt nach Pretoria/ Johannesburg fährt.

Die Südafrikaner sind mächtig stolz darauf. Für die meisten von ihnen ist er aber völlig unbezahlbar. 1800 km, in 30 Stunden einmal quer durchs Land.
Ich will gar nicht so viel über das reden, was hier unter „Luxus“ verstanden wird. Ja, es gibt Butler im Zug, Intarsien verziertes Holz in der Kabine, vier üppige Mahlzeiten am Tag (alle Getränke sind inklusive!) und zum Dinner sind Krawatte und Sakko bzw. „kleines Schwarzes“ erwünscht („man muss sich verkleiden“, wie ein Mitreisender aus der Schweiz es ausdrückte). Aber echt ist das nicht, denn es kocht kein Sternekoch, die Butler sind eher devot als stolz und alles wirkt ein bisschen aufgesetzt.

Was aber der Hit ist, ist die Landschaft, die sich für eineinhalb Tage vor dem Fenster abspielt. Unendliche Weiten, Berge, Himmel, Städte, Tiere, alles da, man muss nur rausschauen. Und wenn man wissen will, wo die Australier sind, muss man nur an die Bar gehen…

Das Ende kommt dann ganz schnell: 15 Uhr Ankunft des Zuges am Pretoria Station, Gepäck ausladen, Transfer zum Flughafen und in 10 Stunden zurück nach Frankfurt.

Soll man nach SA reisen? Ja, auf jeden Fall. Es ist ein Land, mit faszinierender Natur, freundlichen und optimistischen Menschen, das jedem etwas bietet. Es gibt schicke Gästehäuser und gute Restaurants, sowie zahlreiche und spannende Aktivitäten für Gross und Klein (ein riesengrosser Abenteuer- und Freizeit-Park!). Man muss sich aber auch im Klaren sein, dass die Armut und die soziale Schere gross sind, genau wie die politischen Probleme dieses schönen Landes.